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Wie wirkt Yoga genau gegen Stress?

Anke Marenbach • 27. August 2019

Wie Wirkt Yoga Genau gegen Stress?

Die Formel „Yoga machen = Stress reduzieren und entspannen“ kennt wohl jeder und die ist auch richtig, allerdings ist sie doch ziemlich verkürzt und impliziert in dieser Form eher etwas Unrichtiges: „Wenn ich ein paar Asanas mache bin ich nicht mehr so gestresst.“ Das ist so wie eine richtig gelöste Matheaufgabe in einer Klausur, bei der aber leider der Lösungsweg nicht aufgezeigt wurde – null Punkte. Es entspricht aber ja durchaus unserem gewohnheitsmäßigen und bequemen Wunschdenken, eine EINFACHE Lösung für unser Stressproblem haben zu wollen; am liebsten sogar in Form einer Anti-Stress-Pille, die wir einmal täglich zu uns nehmen. Für mehr haben wir ja auch gar keine Zeit, es stehen bereits die nächsten Informationen an, die verarbeitet werden müssen; Effizienz ist eben alles.
Die Wirkungsweise von Yoga ist ein bisschen komplexer. Ob man die nun verstanden hat oder nicht - also ob man den „Lösungsweg“ aufzeigen kann oder nicht – ist glücklicherweise vollkommen irrelevant für die Wirkung selbst: die allermeisten Menschen, die Yoga praktizieren, berichten, dass „ihnen Yoga guttut“ und dass sie sich danach „entspannt“ oder auch „erfrischt“ oder ähnliches fühlen. Was haben sie also konkret getan während so einer „Yogastunde“?

In der Regel – und damit meine ich so ganz typische Yogastunden in unseren westlichen Kulturkreisen – haben sie ihren Körper bewegt, also „Asanas“ ausgeführt. Das ist gleich in mehrerer Hinsicht ziemlich gut für uns: wir haben immer mehr „Informationsarbeiter“, die ihren Arbeitstag meist sitzend verbringen. Dafür ist unser Körper aber nicht gemacht: er dankt es uns mit Rückenschmerzen, verkürzter und verkümmerter Muskulatur, hängenden Schultern, verspanntem Nacken und Sehnenscheidenentzündungen vom vielen Mausklicken. Die Bewegung unseres Körpers – mal sanft, mal fordernder – wirkt unserer oft ungesunden körperlichen Arbeitshaltung positiv entgegen. Das findet unser Gehirn übrigens auch und spendiert uns dabei gleich einen Glückshormoncocktail – als Dankeschön sozusagen und Motivationsanreiz, das bloß beizubehalten! Gleichzeitig wirkt der Cocktail wie ein Gegengift: er neutralisiert nämlich die vielen Stresshormone in unserem Körper, die uns langfristig bei konstant hohem Pegel krankmachen.

Das Ausführen von Asanas im Yoga kann man auf verschiedene Arten machen. Man kann diese Bewegungen oder Bewegungsabfolgen einfach „machen“ mit dem Ziel, sie „gemacht“ zu haben. Also zum Beispiel stehende Vorbeuge: Kopf runter, Schultern nach vorn, Oberkörper nach vorn beugen und dann möglichst an die Füße kommen mit den Händen (oder zumindest mal in die Nähe). Wenn man so praktiziert hat man sich zwar bewegt. Sehr viel effizienter und nachhaltiger ist es jedoch, wenn man den Weg in die stehende Vorbeuge zum Ziel erklärt: wenn man seinen Geist fokussiert auf die kleinen notwendigen Bewegungsschritte: das Kippen des Beckens nach vorn, das Runden des Rückens, das Sinkenlassen der Arme, das Loslassen der Nacken- und Schultermuskulatur.
Wenn man die eigene Wahrnehmung auf die Körperempfindungen richtet, die sich möglicherweise einstellen, wenn man sich in die stehende Vorbeuge absenkt: gibt es da ein Ziehen im unteren Rücken? Fühlen sich die Rückseiten der Oberschenkel irgendwie gestreckt an? Fließt das Blut merklich in den Kopf hinein?
Der Autopilot unseres Gehirns, den wir heute so oft eingestellt haben, wird ausgeschaltet und wir wechseln auf manuellen Betrieb: das nennt man übrigens „Achtsamkeit“ oder auch „Mindfulness“. Man führt und bewegt den eigenen Körper sehr aufmerksam und nimmt genau wahr, was wahrnehmbar ist beim Ausführen dieser Bewegung. Das kann übrigens auch NICHTS sein – und das ist überhaupt nicht abwegig oder schlimm, sondern genau so wertvoll im Sinne der Achtsamkeit wie jede andere Empfindung.
In der Bewegung fokussieren wir unseren Geist: wir drosseln das Tempo unseres Gehirns, dass oftmals zuvor im Hochleistungstakt mit Informationskategorisierung beschäftigt war. Wir richten unsere Aufmerksamkeit allein auf die Bewegung und die Empfindungen unseres Körpers. - Empfindungen? Ja genau, wir üben auch zu „fühlen“, also uns selbst zu fühlen. In unserem „normalen“, leistungsorientierten und schnelllebigen Alltag haben wir für so etwas meist keine Zeit mehr. Wenn es sich nicht um ein sehr starkes, außergewöhnliches Gefühl handelt, also sozusagen ein Prio-1-Gefühl, dass vielleicht lebensrettend für uns sein kann (wie z.B. Angst in einer brenzligen Situation), lässt unser Autopilot Gefühle gar nicht mehr zu, sie werden quasi als „nicht essentiell“ oder, wie man im informationstechnologischen Zeitalter sagt, „nice-to-have“ abgetan. Manchmal stören Gefühle sogar, weil sie uns im Alltag Aufmerksamkeit und abverlangen, und wir üben uns regelrecht darin, sie zu ignorieren: indem wir uns ablenken, und die Möglichkeiten dazu sind ja nun einmal mannigfaltig im digitalen Zeitalter vorhanden. Im Ergebnis fühlen irgendwann tatsächlich NICHTS mehr; wir fühlen uns irgendwie LEER – obwohl gleichzeitig unser Kopf total VOLL ist.

Neben körperlichen Übungen sind Atemübungen, sogenanntes „Pranayama“, ein wesentlicher Bestandteil von Yogastunden. Warum sind nun aber Atemübungen gut um Stress abzubauen? 
Ohne Atmen können wir nicht leben. Dass wir Ein- und Ausatmen, und das rund 20.000mal am Tag, müssen wir glücklicherweise nicht willentlich steuern, sondern das übernimmt unser vegetatives Nervensystem. Das vegetative Nervensystem besteht unter anderem aus einem Teil, der sich „Sympaticus“ nennt, und einem weiteren namens „Parasympaticus“. Während der Sympaticus, auch Stress- oder Spannungsnerv genannt, dafür zuständig ist, unseren gesamten Körper in Aktionsbereitschaft zu versetzen, ist der Parasympaticus für den regenerativen Ausgleich zuständig und wird daher auch Entspannungsnerv genannt. Du ahnst bereits, was ich sagen möchte…: genau, der Sympaticus ist heutzutage ganz oft übermäßig ausgeprägt, während der Parasympaticus irgendwie verkümmert. Wir schenken unserem Körper zu wenig Regenerationszeit. Wenn unser Sympaticus aktiv ist, atmen wir in der Regel schnell und flach, weil der Körper schnell mit Sauerstoff versorgt werden muss. Das funktioniert auch – aber eben nicht als Dauerzustand. Sobald wir beginnen, langsam und tief zu atmen und den Atem bis tief in den Bauch hineinfließen lassen setzt die Aktivierung des Parasympaticus ein: wir werden ruhiger und entspannter und können uns regenerieren, also neue Kräfte sammeln. Nicht von ungefähr kommt die Redewendung „erstmal tief durchatmen…“ – dafür muss man noch nicht einmal Yoga praktizieren. 
In dem Begriff „Pranayama“ steckt „prana“, der altindische Begriff für Energie. Atem ist unsere primäre Energie, die wir aufnehmen. Im Yoga „arbeitet“ man mit dem Atem, in dem man ihn entweder nur beobachtet (ohne ihn zu verändern), oder in dem man ihn bewusst „lenkt“. In letzterem Falle werden Atemübungen ausgeführt, die in der Regel den Atem verlangsamen und vertiefen: man führt die 4 Atemphasen Einatmen, Atem verhalten in der Fülle, Ausatmen und Atem verhalten in der Leere mit unterschiedlichen Intensitäten aus. Noch stärker als beim Ausführen körperlicher Übungen ist man beim Praktizieren von Atemübungen gezwungen, diese mit großer Achtsamkeit auszuführen: würde man das nicht tun, nimmt uns unser vegetatives Nervensystem einfach wieder das Zepter aus der Hand und atmet eben weiter so wie immer. Das notwendige achtsame Atmen während der Durchführung von Atemübungen verordnet unserem sequentiell arbeitenden Gehirn eine Auszeit – also genau das, was notwendig ist, um das gefühlte Stresslevel zu senken! Wenn man regelmäßig übt, den eigenen Atem zu vertiefen, hat man sich dies irgendwann „angewöhnt“: das bedeutet letztlich, dass man den Parasympaticus dauerhaft gestärkt hat. 

Manchmal beobachtet man beim Praktizieren von Yoga den Atem einfach nur. Dabei wird – in der Regel in sitzender oder liegender Position, aber durchaus auch im Stehen und bei der Durchführung körperlicher Übungen – die voll Aufmerksamkeit auf den Atem gerichtet, ohne diesen jedoch zu verändern. Man nimmt lediglich wahr, wie man ein- und ausatmet: kann man den Atem vielleicht spüren, zum Beispiel als sanften Hauch an der Oberlippe? Kann man wahrnehmen, wie der Atem den Schulter-, Brust und Bauchbereich ausfüllt? Wie sich die Bauchdecke nach vorne wölbt? Gibt es vielleicht ein Geräusch beim Atmen? Genau wie beim Ausführen von Asanas nimmt man den gesamten Atemvorgang achtsam und aufmerksam wahr und bündelt somit die Kapazitäten eigenen Gehirns auf genau diesen Vorgang. Andere Dinge, mit denen wir unser Gehirn gerne beschäftigen, treten somit automatisch in den Hintergrund und sind für den Moment nicht mehr wichtig: wir lernen wieder, uns zu konzentrieren.

Weil wir unseren Atem quasi immer „dabeihaben“, ist der Atem ein häufig gewähltes Meditationsobjekt: Meditation ist ein ebenso wesentlicher Bestandteil des Yoga. Wenn man meditiert, versenkt man sich vollständig in Stille: damit ist vor allem die innere Stille gemeint. Diese erreichen wir durch Konzentration auf EINE Sache, häufig eben auf den eigenen Atem. Das klingt deutlich leichter als es tatsächlich ist: unser Geist tut sich schwer damit, bei nur einer Sache zu bleiben, am liebsten hangelt er sich von einem Gedanken zum nächsten weiter und wird deswegen auch als „monkey mind“ bezeichnet: wie ein Affe, der sich von Ast zu Ast, von Baum zu Baum schwingt. Klar, schließlich haben wir ihn auch lange genug in diese Richtung „trainiert“: hier noch mal ne E-Mail checken, ach da kommt eine neue Whatsapp rein, und oh, wer hat da was bei Facebook gepostet, das erinnert mich an das Foto was noch bei Instagram rein soll, aber das mach ich gleich denn jetzt ruft gerade jemand an…
So kann es also passieren, dass wir bereits nach 10 Sekunden Meditation – und damit Konzentration auf unseren Atem – schon wieder mit unseren Gedanken abschweifen. Das ist nicht schlimm und keinesfalls außergewöhnlich. Mit zunehmender Übung gelingt es uns immer besser, dies erstens überhaupt zu bemerken, und zweitens diese Gedanken ziehen zu lassen und mit unserer Aufmerksamkeit wieder zurück zu unserem Konzentrationsobjekt, der Atmung, zu kommen. Selbst sehr meditationserfahrenen Menschen passiert es immer wieder, dass Gedanken abschweifen: aber seltener und es fällt ihnen schneller auf.
Meditation ist für unser Gehirn, für unseren Geist eine echte Wellnesskur: nur eine Sache machen, ganz ausführlich und ganz vertieft, ohne das tausend nächste Sachen schon wieder Schlange stehen und auf Verarbeitung warten – herrlich! Es gibt mittlerweile eine ganze Menge wissenschaftlicher Studien, die belegen, welche positiven Auswirkungen Meditation auf unser Gehirn hat. Regelmäßige Meditationseinheiten von 45 Minuten pro Tag über einen Zeitraum von 8 Wochen bewirken bereits, dass sich unsere „grauen Zellen“ im Hippocampus erholen: der ist oft durch einen zu hohen Cortisolspiegel – eines der Stresshormone – geschädigt, was sich zum Beispiel nachteilig auf unsere Gedächtnisleistung auswirkt. Ein vergrößerter Mandelkern (Amygdala) in unserem Kopf kann sich wieder zurückbilden und damit unser subjektives Stressempfinden senken. Wir lernen wieder, uns besser zu konzentrieren und auch zu regulieren: das empfindliche Zusammenspiel unseres gesamten Körpersystems, was durch einen Cocktail aus Stresshormonen durcheinander gebracht – oder sagen wir „beeinträchtigt“ – worden ist normalisiert sich langsam wieder.

„Yoga machen = Stress reduzieren und entspannen“: ja, das ist absolut richtig, sofern man es regelmäßig tut und mit voller Aufmerksamkeit. Nur dann kann sich unser unter Dauerleistungsdruck stehendes Gehirn in Informationszeitalter auch wirklich regenerieren, und auch körperliche Leiden können aufgehalten und vielleicht sogar umgekehrt werden. Viele, sehr viele Menschen haben das bereits ausprobiert und können von den positiven Wirkungen von Yoga aus eigenen Erfahrungen berichten, und – der Informationstechnologie sei Dank – sie haben dies hinaus in die Welt getragen: in die vielen Yogazeitschriften, Yogablogs, Yogaconferences, Gesundheitsratgeber und so weiter und so fort. Yoga ist populär geworden, weil es das Informationszeitalter ermöglicht hat, und weil es gleichzeitig eine Antwort ist auf die besonderen „Leiden“, die durch das Informationszeitalter erst entstanden sind; es ist sozusagen ein Gegengewicht zu unserer heutigen Zeit. 
Und deswegen ist Yoga auch kein Trend, der wieder weggeht.

von Anke Marenbach 6. Juni 2021
Häufig lese ich Yogakursangebote oder sehe Yogavideos, die versprechen, dass es hier speziell um den Rücken geht. Also das heißt, hier werden Übungen gemacht, in denen speziell der Rücken gefordert ist. Da ja heute praktisch jeder irgendwie „Rücken“ hat – der eine mehr unten, der andere mehr im Schulter-/ Nackenbereich, der eine mehr, der andere weniger – ist das natürlich unter Marketinggesichtspunkten die Ansprache einer riesigen Zielgruppe. Und wer verkaufen möchte weiß: man muss oben in den Trichter möglichst VIIIIELE Interessenten reinwerfen, damit unten ein Bruchteil der Interessenten tatsächlich zum zahlenden Kursteilnehmer wird. Das ist bei „Yoga zum Abnehmen“ nicht anders, wurde doch gerade jüngst nachrichtlich verbreitet, dass die Coronapandemie mit ihren ganzen Einschränkungen im Schnitt mit 5kg mehr auf der Waage zu Buche schlägt. Ich schätze die Stunde der Weightloss Yoga Classes ist spätestens jetzt gekommen. Man muss nur mal googlen – unglaublich, was da an Ergebnissen kommt. Die Angebote funktionieren also unter Marketingaspekten super – aber mal ehrlich, wenn Du als Interessent WIRKLICH Deine Rückenprobleme bekämpfen möchtest oder WIRKLICH abnehmen möchtest... dann lies bitte weiter. Yoga ist nicht nur Gymnastik mit Atmen, in dem Du mal diese, mal jene Körperteile besonders ansprichst. Yoga ist viel komplexer und vor allem GANZHEITLICHER. Yoga heißt „verbinden“, und wenn Du Yoga praktizierst verbindest Du in erster Linie Deinen Körper, Deinen Atem und Deinen Geist. Du lernst (wieder), Deinen Körper, Deine Emotionen und Deine Gedanken wahrzunehmen und achtsam mit ihnen umzugehen. Warum ist das so wichtig? Bleiben wir zunächst bei „Yoga für den Rücken“: 80-90% der Rückenschmerzen sind unspezifisch. Das bedeutet: es gibt keine konkrete Diagnose wie Bandscheibenvorfall, Spinalkanalstenose, Gleitwirbel, altersbedingte Degeneration oder ähnliches. Es lässt sich einfach keine konkrete Ursache ausmachen. Aber trotzdem sind die Rückenprobleme ja da. Wenn Deine Rückenprobleme zu diesen 80-90% gehören, Du also nicht genau weißt, wo die Ursache liegt... wie willst Du dann mit ein oder zwei Handvoll „Übungen“ Deine Rückenprobleme beheben? Ein großer Anteil der auftretenden Rückenschmerzen wird als „psychosomatisch bedingt“ diagnostiziert. Psychosomatisch bedeutet, dass es eben keine (ausschließlich) körperlich Ursache gibt für Beschwerden, sondern dass diese sich zwar körperlich ausdrücken, aber durch soziale und/oder psychische Belastungen oder „seelisches Ungleichgewicht“ begründet werden – und das lässt sich nicht durch ein paar Rückenübungen lösen. „Psychosomatisch bedingt“ – das klingt erstmal ziemlich unbefriedigend, denn logischerweise gibt’s keine Pille gegen die konkrete Ursache, weil die Ursache ganz individuell in Dir selbst liegt und auch nur Du selbst diese Ursache finden und beseitigen kannst. Das klingt anstrengend und unbequem – aber es ist wie immer im Leben: die Bereitschaft, genau diesen Weg zu gehen steigt mit der Höhe Deines Leidensdrucks; ganz unverblümt und schnörkellos ausgedrückt. Ein erster Schritt auf diesem Weg kann für Dich Yoga sein. Yoga ist nicht reduziert auf die Ausführung bestimmter Asanas (Körperhaltungen, Übungen), das ist nur ein Teil. Du lernst vor allem Deinen Körper neu kennen und achtest auf Deine Emotionen und Gedanken während Du praktizierst. Du findest heraus, was Dir guttut, und ebenso nimmst Du wahr, was Dir nicht guttut. Du lenkst Deinen Blick während der Yogapraxis nach innen, beobachtest Gedanken, die Du hast, und Emotionen, die Du spürst. Mit einer regelmäßigen Yogapraxis kannst Du dies Schritt für Schritt auch in Deinen Alltag überführen: was tut Dir im Alltag gut, und was nicht? Die Kombination aus Asana-Praxis, Pranayama (Atemübungen) und Meditation im Yoga helfen Dir, Deinen Körper und Geist in Einklang zu bringen. Yoga ist mehr als nur Gymnastik, es ist Zeit, die Du mit Dir und Deinem Körper verbringst und in der Du Dich besser kennenlernen kannst. Zurück zum Rücken: „Yoga für den Rücken“ suggeriert, es gäbe ein Set von Asanas, dass Dich von Rückenproblemen befreit. Nein, das gibt es nicht. Du kannst aber davon ausgehen, dass nahezu in JEDER Yogaklasse bei uns Dein Rücken im Zentrum steht und gefordert wird: Yoga OHNE Rücken geht nämlich gar nicht. Nicht ohne Grund unterteilt man Asanas zum Beispiel in Vorbeugen, Rückbeugen, Seitbeugen, Twists und Umkehrhaltungen, und die kommen praktisch IMMER vor. Mit regelmäßiger Asanapraxis erhältst Du Deinen Körper gesund, das ist schon einmal eine unglaublich wichtige Grundlage für Dein gesamtes Wohlbefinden. Außerdem baust Du Spannungen ab: also zum Beispiel muskuläre Spannungen, die sich durch eine angespannte Körperhaltung (z.B. zu viel Sitzen, hochgezogene Schultern, Angst- und Wutzustände) aufgebaut hat. Es gibt etablierte Abfolgen von Asanas, die jedoch alle niemals nur EINEN Aspekt berücksichtigen (wie zum Beispiel „nur Rücken“, oder „nur Vorbeugen“), sondern immer nach Ausgleich des Gesamtsystems streben. Wie ist das mit „Yoga zum Abnehmen“? Wenn Du Dein Gewicht reduzieren möchtest ist der wesentliche Schlüssel, dass Du weniger Energie aufnimmst als Du verbrauchst – das weißt Du sicher, und so banal es ist, so schwierig ist es bisweilen auch. Yoga üben verbraucht Energie. Je nachdem, wie fordernd eine Klasse ist, mal mehr, mal weniger. Durch Yoga baust Du Kraft und Flexibilität im Körper auf – wenn Du allerdings nicht gerade 108 Sonnengrüße praktizierst bleibt der Ausdaueraspekt häufig unberücksichtigt. Nichtsdestotrotz: mit regelmäßiger Praxis baust Du Kraft auf und stärkst Deine Muskulatur – und mehr Muskelmasse benötigt – also VERBRAUCHT – mehr Energie. Wenn Du kurzfristige Gewichtsprobleme hast, die Du unter anderem mit Bewegung in den Griff bekommen möchtest, dann empfehle ich Dir Ausdauersport wie Laufen, Schwimmen, Radfahren oder Ähnliches. Wenn Du eher chronische Gewichtsprobleme hast und schon einige Jahre mit Deinem Körpergewicht kämpfst und unzufrieden bist, dann kann die regelmäßige Yogapraxis Dir durchaus helfen, den Ursachen dafür auf die Schliche zu kommen. Du spürst intensiv in Deinen Körper hinein und gehst achtsam und liebevoll mit Deinem Körper um. Du lernst, wie es sich anfühlt, nicht das ÜBERgewicht ständig zu fokussieren, sondern stattdessen das GLEICHgewicht von Körper, Geist und Seele. Das allein kann Dir viel Druck nehmen, der allein in Deinem Kopf entsteht und wie eine Spirale zu noch mehr Essen und noch mehr Gewicht führt – ein Teufelskreis. Kurse mit dem Titel „Yoga zum Abnehmen“ suggerieren, dass die Pfunde allein durch anstrengende Yoga WORKOUTS purzeln. Der Begriff „Workout“ allein hat schon nichts mehr mit Yoga zu tun, sondern dahinter verbergen sich oft rein fitnessorientierte Übungen, die von der Grundidee her auf irgendwelchen Yoga Asanas beruhen (zum Beispiel „Yoga Burpees“). Yoga ist das allerdings nicht mehr, sondern eher kraftvoll-dynamische Gymnastik. Wenn Du mit Yoga wirklich nachhaltig Gewicht verlieren möchtest, dann praktiziere regelmäßig und fokussiere Dich nicht auf den rein körperlichen Aspekt. DU bist MEHR als Dein Körper. Yoga kann Dir helfen, Dein Mindset bezüglich Deines Körpergewichtes und Deines Essverhaltens zu erkennen und zu verändern – wenn Du Dich darauf einlässt und nicht auf kurzfristige und schnelle Diät- und Bewegungskonzepte setzt. Fazit: Egal, ob Du RÜCKEN hast oder ein Gewichtsproblem oder irgendein anderes körperliches Symptom, was Du gerne loswerden möchtest: es ist verständlich, dass Du eine möglichst einfache und schnelle Lösung dafür suchst. Aber in sehr vielen Fällen funktioniert einfach und schnell nicht, oder das Ergebnis ist nur von kurzer Dauer und nicht nachhaltig. Yoga kann Dein Weg sein, um Dich Deinem Körper, Deinen Emotionen und Deinem Geist ganzheitlich zu nähern und zu beginnen, freundlich, liebevoll und annehmend mit ihm umzugehen. Praktiziere regelmäßig. Betrachte Yoga nicht als Pflichtprogramm. Yoga ist Deine Zeit für Dich, und Du bist nun einmal der wichtigste Mensch in Deinem Leben – wie anders könntest Du Deine Zeit besser investieren.
von Anke Marenbach 3. Februar 2020
Der Sonnengruß im Yoga besteht aus 12 Asanas, welche fließend, geführt vom Atem, hintereinander praktiziert werden. Von DEM Sonnengruß zu sprechen ist eigentlich schon falsch, denn es gibt ganz viele Varianten von Sonnengrüßen in der großen Yogawelt. In vielen Yogastunden – und vielleicht auch in Deiner Yogazeit zu Hause? – sind Sonnengrüße fester Bestandteil der Übungsabfolge. Meist werden sie 6-12 Mal ausgeführt und bringen eine gute Wärme in den Körper. Je nach körperlicher Verfassung kannst Du Sonnengrüße in herausfordernden Varianten üben oder auch auf sanfte Art und Weise. Eher herausfordernd sind die Sonnengrüße (Sanskrit „Suriya Namaskar“) A und B, in der Du immer durch die niedrige Planke („Chaturanga Dandasana“) in den heraufschauenden Hund („Urdhva Mukha Svanasana“) und dann den herabschauenden Hund gehst („Adho Mukha Svanasana“). Dabei berühren während der ganzen Abfolge nur Deine Hände und Füße den Boden: Du brauchst also eine gute Portion Kraft, Körperspannung und eine gute Ausrichtung, um diese Sonnengrüße zu üben. Es geht aber auch sanfter und weniger fordernd für Deine Schultern und Arme: Du kannst statt Chaturanga Dandasana auch Knie, Brust und Kinn/Stirn auf dem Boden ablegen und von dort statt in Urdhva Mukha Svanasana in die Kobra („Bhujangasana“) gleiten. Und statt Adho Mukha Svanasana kannst Du auch den Vierfüßlerstand bzw. die Katze („Majariasana“) üben. Der Sonnengruß ist zugleich das wohl bekannteste „Vinyasa“ im Yoga: Vinyasa meint eine Abfolge von Bewegungen, also Asanas, die auf eine bestimmte Art und Weise eingenommen werden, während sie mit dem Atem synchronisiert sind. Der Atem führt die fließenden Bewegungen im Sonnengruß an und hilft dabei, diese konzentriert und fokussiert auszuführen. Während der Körper also in Bewegung ist, kommt der Geist durch die Konzentration zur Ruhe, der „monkey mind“ – der sonst oft von Hölzchen zum Stöckchen schwingt und schier unendliche Gedankenketten erzeugen kann - wird gebändigt. Genau das macht den Sonnengruß aus: er ist viel mehr als nur eine gymnastische Übungsabfolge, die den Körper kräftigt und mobilisiert; er ist Meditation in Bewegung! Was nun, wenn Du den Sonnengruß nicht einmal, nicht sechs Mal und auch nicht 12 Mal ausführen würdest… sondern 108 Mal?! Die Zahl 108 ist in hinduistischer und buddhistischer Tradition eine „heilige“ Zahl: die Ziffer „1“ steht für die Einheit, die Ziffer „0“ für die Leere, das Nichts, und die „8“ – wenn man sie um 90 Grad dreht, also hinlegt – ist das Zeichen für „Unendlichkeit“. Gottheiten haben 108 Namen, eine Mala (ähnlich einem Rosenkranz) hat 108 Perlen, ein Mantra wiederholt man idealerweise 108 Mal, im Ayurveda werden 108 Marmas (Druck-/Energiepunkt) beschrieben, der Abstand zwischen Sonne und Erde entspricht etwa dem 108fachen des Sonnendurchmessers,… die Liste lässt sich fortsetzen. Den Sonnengruß 108 Mal zu üben ist eine ganz besondere Erfahrung: ja, sie ist definitiv körperlich anspruchsvoll, auch, wenn Du nicht jedes Mal durch Chaturanga gehst, sondern eine sanftere Variante wählst! Du erreichst während des Praktizierens vollkommene Konzentration auf Dich und Deinen Körper. Lege Pausen ein, so, wie Du sie brauchst: Du kannst zum Beispiel immer 10 Sonnengrüße von Deinem Atem geführt ausüben und dann eine Pause einlegen, in der Du 10 tiefe Atemzüge nimmst, bevor Du die nächsten 10 Sonnengrüße ausführst. Für 108 Sonnengrüße solltest Du etwa 60-70 Minuten einplanen. Die genaue Dauer hängt natürlich ein bisschen von Deinem Atemrhythmus ab: wenn Du Ujjayi atmest (eine Atemform, bei der Du Deine Stimmritze verengst, so dass weniger Luft hindurchströmt und Du so Deinen Atem verlängerst), kann es eher länger dauern – aber Du hast einen zusätzlich harmonisierenden und beruhigenden Effekt auf Deinen Geist durch die Atmung. Gönne Dir nach 108 Sonnengrüßen unbedingt eine Tiefenentspannung (mindestens 15 Minuten) und nutze die Gelegenheit, Deinen Körper auch in Ruhe ganz intensiv wahrzunehmen und zu entspannen. Hast Du Lust bekommen, das mal auszuprobieren? Schreib uns eine Nachricht! Wir sammeln Interessenten und werden das bei uns im Studio anbieten… wir freuen uns auf Dich!
von Anke Marenbach 9. September 2019
"Früher habe ich Hatha Yoga gemacht, aber heute mache ich Vinyasa Yoga. Und wenn ich mich mal so richtig auspowern will mache ich manchmal auch Power-Yoga." Seit Yoga populär geworden ist sprießen - scheinbar neue - Yogastile allerorts aus dem Boden. Da ist es gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten und zu verstehen, was einen eigentlich so erwartet, wenn man eine Yogaklasse besucht. Da möchten wir mal ein bisschen Licht ins Dunkel bringen: Vinyasa ist ein Sanskrit-Begriff mit mehreren Bedeutungen: in den meisten Fällen meint der Begriff die mit dem Atem synchronisierte, fließende Aneinanderreihung von Asanas (Körperhaltungen) im Yoga. Der Sonnengruß ist beispielsweise auch ein Vinyasa, in dem 12 Asanas hintereinander ausgeführt werden. Durch die fließenden Übergänge entsteht ein Bewegungsfluss, ein „Flow“, und im fortgeschrittenen Übungsstadium gerät man auch in einen mentalen „Flow“. Vinyasa Yoga meint also eine dynamische, fließende Art, Yoga zu praktizieren: im Kern ist das aber kein eigener Yogastil, sondern es ist eine Art, Hatha Yoga zu üben. Wir finden, dass „Flow“ irgendwie besser verständlich ist (auch und vor allem für Neu-Yogi(ni)s) und nennen unsere Vinyasa Klasse bei betteryoga nun Hatha Yoga Flow. Eine Hatha Yoga Flow Klasse solltest Du gerade jetzt in der kühleren und dunklen Jahreszeit einmal ausprobieren! Das dynamische Verbinden von Asanas in Harmonie mit Deinem Atem schenkt Dir die Energie und Wärme, die Du von außen nun viel seltener bekommst. Der Flow wird Deinen Körper nach Deinen Möglichkeiten fordern und Deinen Geist fokussieren, und Du wirst nach einer Tiefenentspannung am Ende der Stunde energetisch aufgeladen nach Hause gehen. Ist das dann Power Yoga? Jein. Also es kommt darauf an, was man unter „Power Yoga“ versteht. Nach unserer Erfahrung wird Power Yoga häufig als Bezeichnung verwendet, wenn ein fitnessorientiertes Yoga-Angebot beschrieben wird (so eine Art „Aerobic gespickt mit einer homöopathischen Prise Spiritualität“). Eigentlich ist Power Yoga aus dem Ashtanga-Yoga heraus entstanden. Als Begründer gilt Bryan Kest, selbst Ashtangi, der seine Praxis von den starren Serien im Ashtanga gelöst und flexibler, dynamischer angepasst hat. Er hat’s „Power Yoga“ genannt und zack – war ein neuer „Yogastil“ geboren. Im Grunde genommen ist das nicht anderes als Vinyasa Yoga: Asanas, die vorwiegend (aber nicht aussschließlich) aus den Serien des Ashtanga entnommen sind, werden dynamisch zu Flows zusammengesetzt. Bei betteryoga – siehe oben – heißt Vinyasa jetzt Hatha Yoga Flow: also so gesehen ist das Power Yoga â˜ș. Und ja, man kann bei regelmäßiger Praxis ziemlich fit damit werden! Das ist aber – zumindest aus unserer Sicht – nur EIN Aspekt (und deswegen heißt die Klasse auch nicht „Power Yoga“). Wenn wir Hatha Yoga Flow unterrichten ist es nicht unser Ziel, Dich zu einem Waschbrettbauch oder gestählten Oberarmen zu bringen (es kann aber passieren, dass Du die bekommst â˜ș - ein netter Nebeneffekt eben). Stattdessen leiten wir Dich an, Deinen Körper kennenzulernen, Deine Grenzen zu erforschen und anzuerkennen und Dich neuen Herausforderungen zu stellen. Wir leiten Dich an im Flow zu atmen und Deinen Geist zu fokussieren. In einer Hatha Yoga Flow Klasse übst Du Yoga mit Dir als Ganzes – nicht nur mit Deinem Körper! Vielleicht kannst Du jetzt ein bisschen besser verstehen, warum Du bei betteryoga Glück für Körper UND Kopf findest â˜ș
von Anke Marenbach 27. August 2019
Die Formel „Yoga machen = Stress reduzieren und entspannen“ kennt wohl jeder und die ist auch richtig, allerdings ist sie doch ziemlich verkürzt und impliziert in dieser Form eher etwas Unrichtiges: „Wenn ich ein paar Asanas mache bin ich nicht mehr so gestresst.“ Das ist so wie eine richtig gelöste Matheaufgabe in einer Klausur, bei der aber leider der Lösungsweg nicht aufgezeigt wurde – null Punkte. Es entspricht aber ja durchaus unserem gewohnheitsmäßigen und bequemen Wunschdenken, eine EINFACHE Lösung für unser Stressproblem haben zu wollen; am liebsten sogar in Form einer Anti-Stress-Pille, die wir einmal täglich zu uns nehmen. Für mehr haben wir ja auch gar keine Zeit, es stehen bereits die nächsten Informationen an, die verarbeitet werden müssen; Effizienz ist eben alles. Die Wirkungsweise von Yoga ist ein bisschen komplexer. Ob man die nun verstanden hat oder nicht - also ob man den „Lösungsweg“ aufzeigen kann oder nicht – ist glücklicherweise vollkommen irrelevant für die Wirkung selbst: die allermeisten Menschen, die Yoga praktizieren, berichten, dass „ihnen Yoga guttut“ und dass sie sich danach „entspannt“ oder auch „erfrischt“ oder ähnliches fühlen. Was haben sie also konkret getan während so einer „Yogastunde“? In der Regel – und damit meine ich so ganz typische Yogastunden in unseren westlichen Kulturkreisen – haben sie ihren Körper bewegt, also „Asanas“ ausgeführt. Das ist gleich in mehrerer Hinsicht ziemlich gut für uns: wir haben immer mehr „Informationsarbeiter“, die ihren Arbeitstag meist sitzend verbringen. Dafür ist unser Körper aber nicht gemacht: er dankt es uns mit Rückenschmerzen, verkürzter und verkümmerter Muskulatur, hängenden Schultern, verspanntem Nacken und Sehnenscheidenentzündungen vom vielen Mausklicken. Die Bewegung unseres Körpers – mal sanft, mal fordernder – wirkt unserer oft ungesunden körperlichen Arbeitshaltung positiv entgegen. Das findet unser Gehirn übrigens auch und spendiert uns dabei gleich einen Glückshormoncocktail – als Dankeschön sozusagen und Motivationsanreiz, das bloß beizubehalten! Gleichzeitig wirkt der Cocktail wie ein Gegengift: er neutralisiert nämlich die vielen Stresshormone in unserem Körper, die uns langfristig bei konstant hohem Pegel krankmachen. Das Ausführen von Asanas im Yoga kann man auf verschiedene Arten machen. Man kann diese Bewegungen oder Bewegungsabfolgen einfach „machen“ mit dem Ziel, sie „gemacht“ zu haben. Also zum Beispiel stehende Vorbeuge: Kopf runter, Schultern nach vorn, Oberkörper nach vorn beugen und dann möglichst an die Füße kommen mit den Händen (oder zumindest mal in die Nähe). Wenn man so praktiziert hat man sich zwar bewegt. Sehr viel effizienter und nachhaltiger ist es jedoch, wenn man den Weg in die stehende Vorbeuge zum Ziel erklärt: wenn man seinen Geist fokussiert auf die kleinen notwendigen Bewegungsschritte: das Kippen des Beckens nach vorn, das Runden des Rückens, das Sinkenlassen der Arme, das Loslassen der Nacken- und Schultermuskulatur. Wenn man die eigene Wahrnehmung auf die Körperempfindungen richtet, die sich möglicherweise einstellen, wenn man sich in die stehende Vorbeuge absenkt: gibt es da ein Ziehen im unteren Rücken? Fühlen sich die Rückseiten der Oberschenkel irgendwie gestreckt an? Fließt das Blut merklich in den Kopf hinein? Der Autopilot unseres Gehirns, den wir heute so oft eingestellt haben, wird ausgeschaltet und wir wechseln auf manuellen Betrieb: das nennt man übrigens „Achtsamkeit“ oder auch „Mindfulness“. Man führt und bewegt den eigenen Körper sehr aufmerksam und nimmt genau wahr, was wahrnehmbar ist beim Ausführen dieser Bewegung. Das kann übrigens auch NICHTS sein – und das ist überhaupt nicht abwegig oder schlimm, sondern genau so wertvoll im Sinne der Achtsamkeit wie jede andere Empfindung. In der Bewegung fokussieren wir unseren Geist: wir drosseln das Tempo unseres Gehirns, dass oftmals zuvor im Hochleistungstakt mit Informationskategorisierung beschäftigt war. Wir richten unsere Aufmerksamkeit allein auf die Bewegung und die Empfindungen unseres Körpers. - Empfindungen? Ja genau, wir üben auch zu „fühlen“, also uns selbst zu fühlen. In unserem „normalen“, leistungsorientierten und schnelllebigen Alltag haben wir für so etwas meist keine Zeit mehr. Wenn es sich nicht um ein sehr starkes, außergewöhnliches Gefühl handelt, also sozusagen ein Prio-1-Gefühl, dass vielleicht lebensrettend für uns sein kann (wie z.B. Angst in einer brenzligen Situation), lässt unser Autopilot Gefühle gar nicht mehr zu, sie werden quasi als „nicht essentiell“ oder, wie man im informationstechnologischen Zeitalter sagt, „nice-to-have“ abgetan. Manchmal stören Gefühle sogar, weil sie uns im Alltag Aufmerksamkeit und abverlangen, und wir üben uns regelrecht darin, sie zu ignorieren: indem wir uns ablenken, und die Möglichkeiten dazu sind ja nun einmal mannigfaltig im digitalen Zeitalter vorhanden. Im Ergebnis fühlen irgendwann tatsächlich NICHTS mehr; wir fühlen uns irgendwie LEER – obwohl gleichzeitig unser Kopf total VOLL ist. Neben körperlichen Übungen sind Atemübungen, sogenanntes „Pranayama“, ein wesentlicher Bestandteil von Yogastunden. Warum sind nun aber Atemübungen gut um Stress abzubauen? Ohne Atmen können wir nicht leben. Dass wir Ein- und Ausatmen, und das rund 20.000mal am Tag, müssen wir glücklicherweise nicht willentlich steuern, sondern das übernimmt unser vegetatives Nervensystem. Das vegetative Nervensystem besteht unter anderem aus einem Teil, der sich „Sympaticus“ nennt, und einem weiteren namens „Parasympaticus“. Während der Sympaticus, auch Stress- oder Spannungsnerv genannt, dafür zuständig ist, unseren gesamten Körper in Aktionsbereitschaft zu versetzen, ist der Parasympaticus für den regenerativen Ausgleich zuständig und wird daher auch Entspannungsnerv genannt. Du ahnst bereits, was ich sagen möchte…: genau, der Sympaticus ist heutzutage ganz oft übermäßig ausgeprägt, während der Parasympaticus irgendwie verkümmert. Wir schenken unserem Körper zu wenig Regenerationszeit. Wenn unser Sympaticus aktiv ist, atmen wir in der Regel schnell und flach, weil der Körper schnell mit Sauerstoff versorgt werden muss. Das funktioniert auch – aber eben nicht als Dauerzustand. Sobald wir beginnen, langsam und tief zu atmen und den Atem bis tief in den Bauch hineinfließen lassen setzt die Aktivierung des Parasympaticus ein: wir werden ruhiger und entspannter und können uns regenerieren, also neue Kräfte sammeln. Nicht von ungefähr kommt die Redewendung „erstmal tief durchatmen…“ – dafür muss man noch nicht einmal Yoga praktizieren. In dem Begriff „Pranayama“ steckt „prana“, der altindische Begriff für Energie. Atem ist unsere primäre Energie, die wir aufnehmen. Im Yoga „arbeitet“ man mit dem Atem, in dem man ihn entweder nur beobachtet (ohne ihn zu verändern), oder in dem man ihn bewusst „lenkt“. In letzterem Falle werden Atemübungen ausgeführt, die in der Regel den Atem verlangsamen und vertiefen: man führt die 4 Atemphasen Einatmen, Atem verhalten in der Fülle, Ausatmen und Atem verhalten in der Leere mit unterschiedlichen Intensitäten aus. Noch stärker als beim Ausführen körperlicher Übungen ist man beim Praktizieren von Atemübungen gezwungen, diese mit großer Achtsamkeit auszuführen: würde man das nicht tun, nimmt uns unser vegetatives Nervensystem einfach wieder das Zepter aus der Hand und atmet eben weiter so wie immer. Das notwendige achtsame Atmen während der Durchführung von Atemübungen verordnet unserem sequentiell arbeitenden Gehirn eine Auszeit – also genau das, was notwendig ist, um das gefühlte Stresslevel zu senken! Wenn man regelmäßig übt, den eigenen Atem zu vertiefen, hat man sich dies irgendwann „angewöhnt“: das bedeutet letztlich, dass man den Parasympaticus dauerhaft gestärkt hat. Manchmal beobachtet man beim Praktizieren von Yoga den Atem einfach nur. Dabei wird – in der Regel in sitzender oder liegender Position, aber durchaus auch im Stehen und bei der Durchführung körperlicher Übungen – die voll Aufmerksamkeit auf den Atem gerichtet, ohne diesen jedoch zu verändern. Man nimmt lediglich wahr, wie man ein- und ausatmet: kann man den Atem vielleicht spüren, zum Beispiel als sanften Hauch an der Oberlippe? Kann man wahrnehmen, wie der Atem den Schulter-, Brust und Bauchbereich ausfüllt? Wie sich die Bauchdecke nach vorne wölbt? Gibt es vielleicht ein Geräusch beim Atmen? Genau wie beim Ausführen von Asanas nimmt man den gesamten Atemvorgang achtsam und aufmerksam wahr und bündelt somit die Kapazitäten eigenen Gehirns auf genau diesen Vorgang. Andere Dinge, mit denen wir unser Gehirn gerne beschäftigen, treten somit automatisch in den Hintergrund und sind für den Moment nicht mehr wichtig: wir lernen wieder, uns zu konzentrieren. Weil wir unseren Atem quasi immer „dabeihaben“, ist der Atem ein häufig gewähltes Meditationsobjekt: Meditation ist ein ebenso wesentlicher Bestandteil des Yoga. Wenn man meditiert, versenkt man sich vollständig in Stille: damit ist vor allem die innere Stille gemeint. Diese erreichen wir durch Konzentration auf EINE Sache, häufig eben auf den eigenen Atem. Das klingt deutlich leichter als es tatsächlich ist: unser Geist tut sich schwer damit, bei nur einer Sache zu bleiben, am liebsten hangelt er sich von einem Gedanken zum nächsten weiter und wird deswegen auch als „monkey mind“ bezeichnet: wie ein Affe, der sich von Ast zu Ast, von Baum zu Baum schwingt. Klar, schließlich haben wir ihn auch lange genug in diese Richtung „trainiert“: hier noch mal ne E-Mail checken, ach da kommt eine neue Whatsapp rein, und oh, wer hat da was bei Facebook gepostet, das erinnert mich an das Foto was noch bei Instagram rein soll, aber das mach ich gleich denn jetzt ruft gerade jemand an… So kann es also passieren, dass wir bereits nach 10 Sekunden Meditation – und damit Konzentration auf unseren Atem – schon wieder mit unseren Gedanken abschweifen. Das ist nicht schlimm und keinesfalls außergewöhnlich. Mit zunehmender Übung gelingt es uns immer besser, dies erstens überhaupt zu bemerken, und zweitens diese Gedanken ziehen zu lassen und mit unserer Aufmerksamkeit wieder zurück zu unserem Konzentrationsobjekt, der Atmung, zu kommen. Selbst sehr meditationserfahrenen Menschen passiert es immer wieder, dass Gedanken abschweifen: aber seltener und es fällt ihnen schneller auf. Meditation ist für unser Gehirn, für unseren Geist eine echte Wellnesskur: nur eine Sache machen, ganz ausführlich und ganz vertieft, ohne das tausend nächste Sachen schon wieder Schlange stehen und auf Verarbeitung warten – herrlich! Es gibt mittlerweile eine ganze Menge wissenschaftlicher Studien, die belegen, welche positiven Auswirkungen Meditation auf unser Gehirn hat. Regelmäßige Meditationseinheiten von 45 Minuten pro Tag über einen Zeitraum von 8 Wochen bewirken bereits, dass sich unsere „grauen Zellen“ im Hippocampus erholen: der ist oft durch einen zu hohen Cortisolspiegel – eines der Stresshormone – geschädigt, was sich zum Beispiel nachteilig auf unsere Gedächtnisleistung auswirkt. Ein vergrößerter Mandelkern (Amygdala) in unserem Kopf kann sich wieder zurückbilden und damit unser subjektives Stressempfinden senken. Wir lernen wieder, uns besser zu konzentrieren und auch zu regulieren: das empfindliche Zusammenspiel unseres gesamten Körpersystems, was durch einen Cocktail aus Stresshormonen durcheinander gebracht – oder sagen wir „beeinträchtigt“ – worden ist normalisiert sich langsam wieder. „Yoga machen = Stress reduzieren und entspannen“: ja, das ist absolut richtig, sofern man es regelmäßig tut und mit voller Aufmerksamkeit. Nur dann kann sich unser unter Dauerleistungsdruck stehendes Gehirn in Informationszeitalter auch wirklich regenerieren, und auch körperliche Leiden können aufgehalten und vielleicht sogar umgekehrt werden. Viele, sehr viele Menschen haben das bereits ausprobiert und können von den positiven Wirkungen von Yoga aus eigenen Erfahrungen berichten, und – der Informationstechnologie sei Dank – sie haben dies hinaus in die Welt getragen: in die vielen Yogazeitschriften, Yogablogs, Yogaconferences, Gesundheitsratgeber und so weiter und so fort. Yoga ist populär geworden, weil es das Informationszeitalter ermöglicht hat, und weil es gleichzeitig eine Antwort ist auf die besonderen „Leiden“, die durch das Informationszeitalter erst entstanden sind; es ist sozusagen ein Gegengewicht zu unserer heutigen Zeit. Und deswegen ist Yoga auch kein Trend, der wieder weggeht.
von Anke Marenbach 7. August 2019
Ich weiß nicht mehr so genau, wann und wo ich das erste Mal etwas von Yoga gehört habe. Vermutlich so in den 80ern oder Anfang der 90er. Aber ich kann mich noch erinnern an das Bild, was dazu in meinem Kopf entstanden ist: total bunt und schräg gekleidete Menschen, mit wallenden langen Haaren im ganzen Farbspektrum, die im Schneidersitz mit den Händen auf den Knien um eine Buddhafigur herumsitzen und ekstatisch die ganze Zeit „OM Shanti“ und „Hare Krishna“ singen. Anschließend haben diese Menschen sich auf den Kopf gestellt oder alternativ ihre Gliedmaßen irgendwie um den Körper herum verknotet. Das fand ich so abgefahren, dass ich das in meinem Kopf gleich in die Schublade mit der Aufschrift „geht gar nicht“ gesteckt habe, die Schublade abgeschlossen und den Schlüssel dazu weggeworfen habe. Da die eigene Wahrnehmung durchaus beeinflussbar ist durch den Willen, etwas wahrzunehmen oder auch nicht, habe ich die nächsten 20 Jahre einen Bogen um Yoga gemacht. Das war aber auch nicht besonders schwer, denn Yoga war längst nicht so omnipräsent wie heute und fristete in dieser Zeit noch ein exotisches Schattendasein, was allenfalls belächelt oder als abgehobener Spiritualitätskram abgetan wurde. Und heute? Kann man in größeren Städten an jeder Ecke ein Yogastudio besuchen. Gibt es spezielle Yogazeitschriften. Ist Yoga in den Fokus wissenschaftlicher Studien geraten. Raten Ärzte ihren Patienten Yoga zu praktizieren. Will die Werbung uns weismachen, dass man unbedingt spezielle Yogaklamotten braucht um Yoga praktizieren zu können. Gibt es hunderte verschiedene Yogalehrerausbildungen. Bieten Unternehmen ihren Mitarbeitern Yogakurse an. Überbieten sich Nutzer von Social Media Plattformen wie Instagram & Co. mit Fotos und Videos von allen möglichen und unmöglichen Yogaposen. Entstehen immer neue Yoga-Formen die eigentlich keine sind, die weitere Yogis und Yoginis anlocken sollen (Bieryoga…). Statt einer Auszeit oder einem Erholungsurlaub gönnt man sich heute einen Retreat. Und die Menschen die Yoga machen sind auch gar nicht mehr so komisch wie früher. Was also ist da in der Zwischenzeit passiert, in diesen 20 Jahren, was Yoga so populär gemacht hat? Ich möchte dazu meine Gedanken teilen… Bevor ich Yogalehrerin wurde habe ich lange in der Informationstechnologie-Branche gearbeitet. Zum Zeitpunkt meines ersten Eindrucks von Yoga gab es diese Branche noch nicht einmal: nur so einen Vorläufer, den man „elektronische Datenverarbeitung“ nannte. Ab den 90er Jahren entwickelte sich diese Informationstechnologie-Branche jedoch rasant und brachte Innovationen hervor, die nur wenige Jahre zuvor als Science-Fiction galten. Das Internet entstand und brach die letzten Deiche auf dem Weg zur globalisierten Welt. Neue, schnelle digitale Übertragungskanäle ermöglichen Kommunikation mit der ganzen Welt in Echtzeit. Mobile Endgeräte, die praktisch jedem zur Verfügung stehen, bilden die Dauereintrittskarte in die digitale Welt, die niemals eine Pause einlegt. Wir haben Zugang zu unvorstellbaren Mengen an Informationen: es gibt nahezu nichts, was man nicht SOFORT googlen könnte; nichts, was man nicht SOFORT bestellen könnte; nichts, was man nicht SOFORT posten und mit der ganzen Welt teilen könnte. Bereitwillig nutzen wir diese zweifellos nützlichen Features, die unser Leben an ganz vielen Stellen erleichtern und sogar bereichern. Durch diese unglaublichen Innovationen sind uns Möglichkeiten und Optionen offengelegt worden, die wir vorher gar nicht hatten. Das ist fantastisch, und aus manchem Blickwinkel heraus betrachtet sicher schlaraffenlandähnlich! Wären da nur nicht diese Grenzen, die in uns selbst begründet liegen. Während Computer heute immer mehr Informationen verarbeiten können, kann unser Gehirn das leider nicht. Ein bisschen Tuning ist zwar drin, aber es ist keine Maschine sondern eben unser Gehirn. Also müssen wir unter den zur Verfügung stehenden Informationen immer mehr filtern, was für uns nun wirklich relevant ist. Das ist schon für unsere Sinnesorgane anstrengend, also sozusagen die Eingangskanäle der Informationen. Manchmal schaffen die das gar nicht und lassen einfach alles mögliche in unser Gehirn durch. Dort muss dann nochmal nachgefiltert und kategorisiert werden, was wichtig und relevant ist für uns. Weil aber die schiere Menge an Informationen so groß ist, guckt sich unser Gehirn nicht jeden Informationsfitzel genau und von allen Seiten an, sondern legt eine – notwendige – Oberflächlichkeit an den Tag, um den Kategorisierungsvorgang zu beschleunigen. Unser Gehirn entwickelt sich zum Hochleistungssportler, der sich keine Pausen mehr gönnt und immer weiter rennt: immer mehr Informationen prasseln auf uns ein und wollen immer schneller und vor allem permanent verarbeitet werden. Das ist ziemlich anstrengend und macht uns müde: aber dieses „müde“ fühlt sich anders an als nach körperlicher Arbeit und Anstrengung; wir sind „müde im Kopf“: fühlen uns nicht mehr aufnahmefähig, lustlos und irgendwie auch „leer“. „Oberflächlich“ bedeutet in diesem Zusammenhang übrigens auch, dass wir uns die Informationen nicht mehr merken (können). Das hängt auch damit zusammen, dass wegen der nur oberflächlichen Beschäftigung mit einer Information keine Zeit mehr bleibt, um eine Emotion dazu zu entwickeln. Informationen, die mit Emotionen gespeichert werden, bleiben aber länger „haften“: wir können uns besser an sie erinnern. Dafür haben wir aber keine Zeit, denn es warten ja schon die nächsten Informationen auf Bearbeitung durch unser Gehirn. Darunter leidet auch unsere Fähigkeit, sich zu konzentrieren. Es ist ein Teufelskreis: weil wir keine Zeit mehr haben, uns mit Informationen genauer zu beschäftigen und uns auf EINE Sache zu fokussieren, nimmt unsere Konzentrationsfähigkeit ab; ja wir verlernen es regelrecht, unseren Geist über einen längeren Zeitraum auf nur eine Sache zu richten. Im Beruf, in der Familie und in allen möglichen anderen Lebensbereichen scheint die Fähigkeit zur Konzentration aber auch keine vorrangig geforderte Qualität mehr zu sein: Multitaskingfähigkeiten werden stattdessen gefordert. Dabei ist schon seit einigen Jahren durch die Hirnforschung bewiesen, dass unser Gehirn das gar nicht kann! Unser Gehirn ist kein Parallelprozessor, sondern es verarbeitet Informationen immer nacheinander. Es scheint, als ob wir aber versuchen, die Abstände zwischen diesem Nacheinander immer kürzer werden zu lassen, damit es wenigstens annähernd so aussieht als ob wir multitaskingfähig wären. Schließlich ist es – leider – noch immer so, dass „Multitaskingfähigkeit“ mit „hoher Leistungsfähigkeit“ gleichgesetzt wird: je mehr Browser-Tabs in unserem Gehirn gleichzeitig geöffnet sind desto besser also. Damit unser Gehirn diesen nahezu dauerhaften Zustand der effizienten Informationskategorisierung in hohem Tempo aufrecht erhalten kann, braucht es so etwas wie „Drogen“: die stellt unser Körper praktischerweise sogar selber her in Form von Hormonen bzw. Neurotransmittern. Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol (um nur die wichtigsten, auch als „Stresshormone“ bekannten zu nennen) können unsere Leistungsfähigkeit über kürzere Zeiträume erstaunlich erhöhen und uns auf den Punkt zur Konzentration und Aktion bringen. Evolutionsbiologisch ist das ein sehr cleveres Konzept unseres Körpers, waren wir dadurch doch in der Lage, uns vor gefährlichen Tieren zu retten und unser Überleben zu sichern. Heute jedoch missbrauchen wir dieses clevere Konzept, weil es uns nicht mehr genügt, unsere Leistungsfähigkeit nur über kürzere Zeiträume zu steigern; wir verlangen unserem Gehirn ja permanent eine hohe Leistungsfähigkeit ab. Unser Körper produziert deswegen mehr „Drogen“, aber das hat leider einige Nachteile und führt wiederum in einen weiteren Teufelskreis: wir werden abhängig, „Adrenalinjunkies“ sozusagen, die immer wieder neue Kicks benötigen. Die körpereigenen Drogen erzeugen in uns das Gefühl von „Stress“: das macht sich zum Beispiel bemerkbar durch höheren Blutdruck, beschleunigten Puls, vergrößerte Pupillen, erhöhte Muskelspannung (die zu Verspannungen und auch Kopfschmerzen führt), reduzierte Verdauungstätigkeit, flachere und schnellere Atmung. Wenn dieser Zustand nun über einen längeren Zeitraum andauert und insbesondere der Cortisolspiegel im Blut konstant hoch bleibt, weil das Hormon gar nicht mehr abgebaut werden kann, schadet das unserem Körper massiv: das Risiko von Diabetes, koronaren Herzerkrankungen und wahrscheinlich sogar Demenzerkrankungen (die Forschung ist hier noch ganz jung) steigt dramatisch an. Nun ist es ja nichts Neues, dass Stress uns krank macht; das war immer schon so. Aber die Art und Weise, wie es überhaupt zu diesem Stress kommt und welche Umstände das konkret begünstigen sind eben doch vergleichsweise neu: nein, unsere Großeltern und früheren Vorfahren hatten das in dieser Form nicht. Kriege, Hungersnöte und 12stündige Schichten im Bergbau haben sicher und ohne Zweifel ebenfalls Stress verursacht, aber auf eine andere, von der Ursache her viel körperlichere Art und Weise. Dass unsere Informationsfilteranlagen und unser Gehirn durch so viele Informationen auf einmal, überall und zu jederzeit, die alle kategorisiert werden wollen, schlicht überbelastet werden ist relativ neu. Ohne die vielzähligen, unglaublichen Fortschritte in der Informationstechnologie in den letzten 20 bis 30 Jahren würde es diese „neue“ Art von Stress so nicht geben. Auf diesem Fortschritt gründen noch eine Menge weiterer Entwicklungen, die ihrerseits wiederum eigene Stress-Teufelskreise erzeugen. Zum Beispiel die Sache mit den sozialen Medien: weil es MÖGLICH ist diese zu nutzen entsteht der Druck, dies auch wirklich TUN zu müssen, denn es entstehen digitale Parallelwelten, aus denen man sonst ausgeschlossen ist. Menschen sind aber auf soziale Bindungen angewiesen, wir brauchen sie wie die Luft zu atmen: also machen wir da mit und üben uns in möglichst positiver Selbstdarstellung. Weil es MÖGLICH ist, mit ganz vielen Menschen zu interagieren, viele „Freunde“ und „Follower“ zu haben, sich heute hier und morgen dort zu verabreden, mit Freunden zu skypen die gerade am anderen Ende der Welt sind, sich mit allen möglichen Menschen zu „vernetzen“ die wir – wenn überhaupt – nur einmal im Leben überhaupt gesehen und kennengelernt haben, meinen wir, dass wir das auch tun müssen, um unsere sozialen Bindungen zu stärken und uns irgendwie „zugehörig“ zu fühlen. Wir können aber gar nicht mit so vielen Menschen so viel Zeit verbringen, wie es nötig wäre, um wirklich eine tiefe soziale Bindung einzugehen. Also müssen wir zwangsläufig oberflächlich bleiben: unsere Beziehungen werden damit viel schneller austauschbar und geben uns weniger Halt, als das bei tiefen und nachhaltigen Beziehungen der Fall ist. Weil es MÖGLICH ist, in Echtzeit miteinander zu kommunizieren, meinen wir auch, dies unbedingt TUN zu müssen: wenn jemand unsere Whatsapp-Nachricht nicht innerhalb weniger Minuten beantwortet werden wir bereits ungehalten – und andersherum erzeugt eine unbeantwortete Nachricht auf unserem Smartphone ein weiteres ToDo auf unserer nie endenden ToDo-Liste, das unseren Stresslevel wieder befeuert. Weil es MÖGLICH ist, alles was wir an Konsumartikeln begehren heute zu bestellen und morgen geliefert zu bekommen, MEINEN wir, dass grundsätzlich alles am besten jetzt und hier und sofort erledigt werden oder verfügbar sein muss. Wenn sich abzeichnet, dass dies einmal nicht oder nur schwer möglich ist, bereitet uns das Stress, und wir erhöhen unsere Anstrengungen einmal mehr, um dem doch noch entsprechen zu können. Und natürlich erwarten wir dies gleichermaßen auch von anderen und setzen diese damit unter Druck: soziale Bindungen – welcher Art auch immer – können auch Stress leiten, sowie Wasser den Strom leitet. Dass ausgerechnet Yoga Dir helfen kann, diesen Stressfallen zu entkommen ahnst Du wahrscheinlich schon. Im nächsten Blogbeitrag erkläre ich Dir, WIE GENAU das aber funktioniert - stay tuned!
Film Yoga Die Kraft des Lebens
von Anke Marenbach 18. Juli 2019
Der Film handelt von dem Fotoreporter Stéphane Haskell (selbst auch Regisseur des Films), der sich nach Alkoholsucht, Trennung von seiner Lebensgefährtin und obendrein einem schweren Bandscheibenvorfall mit Operation querschnittsgelähmt im Rollstuhl wiederfindet und sein Leben hasst. Sein Arzt empfiehlt ihm, in einem Yogainstitut an sich zu arbeiten, und über einige Jahre kämpft er sich in der Yogatradition nach B.K.S. Iyengar zurück ins Leben und kann heute wieder laufen. Einer seiner Yogalehrerinnen, die ihn nachhaltig inspiriert hat, verspricht er, einen Film über Yoga zu drehen: dieses Versprechen löst er mit „Yoga – die Kraft des Lebens“ ein. Er besucht viele Orte, an denen Menschen Yoga praktizieren - aber nicht die schönen und „hippen“ Orte, an denen Yoga als Lifestyle gesehen wird: er besucht das Gefängnis St. Quentin in L.A., ein kenianisches Frauengefängnis, traumatisierte Kinder in Sri Lanka, eine ausgewanderte, russisch-jüdische Yogalehrerfamilie, die in Israel Iyengar-Yoga praktizieren und einige mehr. Die Menschen berichten, wie ihnen Yoga in ihrem Leben hilft: dabei geht es nur am Rande um die positiven körperlichen Auswirkungen auf die Yogis und Yoginis. Vielmehr berichten die Menschen, wie Yoga ihnen Halt gibt: durch Praktizieren in einer sozialen Gemeinschaft, durch das Erlernen von Disziplin durch tägliches Praktizieren, durch das (Wieder-)Erlangen eines Körperbewusstseins, dass ihnen über den Körper hilft, auch im Kopf eingefahrene Gedankenstrukturen und sogar traumatische Erfahrungen aufzubrechen und zu überwinden. Kinder einer französischen Schule – etwa 12 Jahre alt - berichten, dass sie durch Yoga als festen Bestandteil ihres Stundenplans gelernt haben, wie sie sich auf den Punkt konzentrieren können, wenn es notwendig ist, und dass sie ruhiger, ausgeglichener und weniger aggressiv geworden sind. „Yoga – Die Kraft des Lebens“ ist ein Dokumentarfilm, der Einblicke gibt in was Yoga für praktizierende Menschen tun kann. Die gewählten Beispiele sind schon sehr besonders und - wie ich finde – zwar durchaus beeindruckend und interessant, aber nicht so sehr aus „unserem“ alltäglichen Leben gegriffen, so dass man nicht unbedingt gleich Kongruenz mit eigenen Lebenssituationen herstellen kann (aber das war vermutlich auch nicht das Ziel des Films). Ebenso „besonders“ ist die Yogatradition nach B.K.S. Iyengar, die – so wie im Film dargestellt – auch schnell mal abschreckend wirkt und eher wie eine Foltermethode rüberkommt (ich würde einen Neu-Yogi(ni) vermutlich nicht als erstes mit Iyengarmethoden bekannt machen wenn ich daran interessiert wäre, ihn langfristig von Yoga zu überzeugen). B.K.S. Iyengar selbst wird im Film auch interviewt und kommt dabei recht sympathisch rüber; das Interview muss kurz vor seinem Tod 2014 bereits geführt worden sein. Das Schicksal von Stéphane Haskell wird zum Filmauftakt ausführlich thematisiert und dann noch einmal zum Ende. Ich hatte erwartet, noch mehr Details über ihn und seinen persönlichen Weg mit Yoga zu erfahren: immerhin ist es doch sehr bemerkenswert, sich mit Hilfe von Yoga aus einem Leben im Rollstuhl befreit zu haben und heute wieder ganz normal laufen zu können! Das jedoch lässt der Film weitgehend offen, was ich persönlich schade finde. Insgesamt hätte ich mir noch tiefergehende und detaillierte Erkenntnisse gewünscht, mir waren die Interviews mit den yogapraktizierenden Menschen manchmal etwas zu oberflächlich. Die Personen im Film sprechen in weiten Teilen englisch und französisch, was mit Untertiteln synchronisiert wird. Das allein fand ich nicht schlimm, allerdings war die Kameraführung zeitweise so abstrus und hektisch, dass ich es als anstrengend empfunden habe zu folgen. Würde ich den Film nun weiterempfehlen? Hm…Ja, würde ich. Wenn man allerdings selbst schon einiges an Yogaerfahrung und Hintergrundwissen hat sollte man nicht erwarten, hier noch zusätzlichen Input zu bekommen. Die Geschichten sind interessant, der Film – auch durch die reine Vielzahl von „Yogageschichten“ – kurzweilig. Und er zeigt einmal mehr, dass Yoga wirklich weltweit praktiziert wird und Menschen in wirklich schlimmen und tragischen Lebenssituationen Halt und neuen Lebenssinn geben kann, in dem es sie zurückführt zu einem positiven Bewusstsein über sich selbst. Übrigens habe ich diesen Film im Wied Scala Kino in Neitersen geschaut: ein wirklich schnuckeliges kleines Programmkino im Westerwald aus den 50er Jahren an einer Stelle, wo man wirklich alles aber kein Kino vermutet :-) Kann ich nur empfehlen! http://www.wied-scala.de , ungefähr 30min mit dem Auto von Hennef aus.
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